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Reitschulen und die Ausbildung des Reitnachwuchses – das waren die großen Themen des diesjährigen Bundesberufsreitertags. Das Haupt- und Landgestüt Marbach war ein passender Veranstaltungsort.

Vollgepackt war das Programm des Bundesberufsreitertags, der ein wichtiges Thema hatte: Ausbildung der Nachwuchsreiter – unsere Kunden von morgen! Das war das Motto des Wochenendes der Bundesvereinigung der Berufsreiter, das am Samstag mit der Mitgliederversammlung und Impulsvorträgen startete. Zu den Gästen gehörte auch FN-Präsident Hajo Erbel, der sagte: „Berufsreiter sind diejenigen, die jeden Tag in der Halle stehen und die Basis ausbilden. Daher gebietet es sich für mich, hierher zu kommen.“

EM-Bewegungstrainerin Roswitha Schreiber-Jetzinger war eine der Referentinnen. Die Leiterin einer Kinderreitschule sprach über Lernkonzepte für Kinder und Jugendliche. Sie betonte, wie wichtig es sei, die Kinder schon ab drei bis sechs Jahren mit Angeboten abzuholen, da man sie sonst an andere Sportarten verliere. Dann erklärte sie, dass es aus wirtschaftlicher Sicht Sinn mache, dass mehrere Kinder sich ein Pony teilen, und dass das spielerische Lernen immer im Vordergrund stehen müsse. Außerdem sollte man unbedingt dem Bewegungsdrang der Kinder (auch ohne Pony und Pferd) gerecht werden, um eine gute Lernatmosphäre zu schaffen. Ihre grundsätzliche Leitlinie beschrieb sie so: „Kinder müssen scheitern dürfen. Wer nie Steine aus dem Weg räumen muss, hat keine Muskeln, um daraus einen Turm zu bauen.“

BUSINESSPLAN UND MARKETINGSTRATEGIE

Pferdewirtschaftsmeisterin Ulrike Mohr, die mittlerweile erfolgreich fünf (!) Kinderreitsportzentren betreibt, mit 1500 Kindern pro Woche, 1000 Reitabzeichen im Jahr und insgesamt 85 Mitarbeitern, übernahm anschließend das Mikrofon und erläuterte anschaulich, dass beim Aufbau einer Reitschule alles mit einem vernünftigen Businessplan und einer guten Marketingstrategie stehe und falle.

Um die aktuellen Herausforderungen in einer Fachschule Reiten, um Praxisbeispiele aus dem Betrieb, Zielgruppen und Schulpferdemanagement ging es in dem Vortrag von BBR-Vorstandsmitglied Jan Schulze Niehues. „Das Lehrpferd spielt mehr denn je eine Rolle in der Fachschule Reiten“, berichtete er aus seinem Alltag als Leiter eines Reitschul- und Ferienbetriebs und einer Fachschule. „Immer mehr Eltern sind Nicht-Reiter. Wir müssen sie kompetent beraten und mitnehmen.“ Er erläuterte, wie seine Familie im Betrieb das Schulpferdemanagement aufgestellt hat und wie sie Synergie-Effekte nutzen.

Ebenfalls aus seinem Alltag und wie sich verschiedene Betriebszweige kombinieren lassen, berichtete Pferdewirtschaftsmeister Markus Terbrack von der Reitschule Altrogge-Terbrack in Westfalen. In dem Betrieb gibt es Angebote für Reitschülerinnen und Reitschüler ab sechs Jahren, wöchentlichen Unterricht, Lehrgänge und Reitferien. Das Herzstück ist die Geländeausbildung. Markus Terbrack hat die Erfahrung gemacht: „Das Internet spielt uns nicht unbedingt in die Karten, denn manchmal kommen Reitschüler auf Ideen, die sie nicht hinterfragen. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen und eine klare Linie vorgeben.“

Zwei Mitarbeiterinnen des CHIO Aachen Campus stellten das Zertifikatsprogramm „Equestrian Stable Manager“ vor. Das Programm, für das es auch ein BBR-Stipendium gibt, richtet sich an Pferdesportbegeisterte, die sich im Bereich Stallmanagement und Betriebsführung weiterbilden möchten. Das Programm beinhaltet praxisorientierte Module mit Themen aus dem Pferdesport sowie Module der Betriebswirtschaftslehre, die Managementfähigkeiten und innovatives Denken fördern.

MARBACHS HENGSTE UND CREDO

Im Anschluss wurden den rund 220 Teilnehmenden des BBRT die Vielfalt der Marbacher Hengste demonstriert. Landoberstallmeisterin Dr. Astrid v. Velsen-Zerweck und ihre Mitarbeiter präsentierten z.B. den schon 21-jährigen, aber immer noch vor Energie strotzenden Selle Français-Hengst Propriano de l’Ebat, einen begehrten Vielseitigkeitsvererber, und den vierjährigen Trakehner Tanzfürst v. Dezember. Der Schwarzwälder Kaltbluthengst Dachsstein zeigte sich im Einspänner und der Altwürttemberger Umberto unterm Sattel. WM Devdas ox trabte als Vertreter der Vollblutaraber-Hengste, für die Marbach berühmt ist, leichtfüßig durch die Reithalle. Den Abschluss machte der fünfjährige Decartes, DSP Vize-Champion 2022, toll vorgestellt von seinem gefühlvoll einwirkenden Ausbilder Lukas Maier.

Die Hengstvorstellung war von Anfang bis Ende sehr auf der pferdegerechten Ausbildung aufgebaut, immer für das Pferd, ohne Showtritte zu provozieren. Zwar kamen aufgrund der gefüllten Halle und der Bandenwerbung bei den Hengsten Nervosität auf, aber Ausbildungsleiter Markus Lämmle legte viel Wert auf Ruhe und Losgelassenheit und arbeitete mit den Pferden und Reitern so lange, bis sie entspannt die Halle wieder verlassen konnten. Zugleich wurde auch klar, dass in Marbach die vielseitige Ausbildung einen hohen Stellenwert einnimmt und die Angestellten, vor allem die Auszubildenden, die Chance bekommen, auf ganz unterschiedlichen Pferden zu lernen. Außerdem machte Astrid v. Velsen-Zerweck deutlich, dass die Priorität in der Ausbildung der Hengste nicht auf dem bundesweiten Jungpferdevergleich liege, sondern darauf die Pferde altersgemäß und individuell zu fördern.

Markus Lämmle hatte dann auch die Aufgabe, den praktischen Teil der Tagung zur vielseitigen Grundausbildung des Reiters zu gestalten. Das gelang ihm, indem er nicht versuchte, nur Idealbeispiele zu zeigen, sondern Beispiele aus dem tatsächlichen Alltag und wie daran gearbeitet wird, wenn man beispielsweise ein Pferd mit sehr viel Energie am Sprung unter dem Sattel hat. Der Leiter der Marbacher Landesreitschule zeigte außerdem, wie wichtig es ist, dass junge Reiterinnen und Reiter sowie die Auszubildenden Erfahrungen auf verschiedenen Pferden sammeln können. Seine elfjährige Tochter Emmi Lämmle freute sich über die Chance, auf dem S-erfolgreichen Mecklenburger Hengst Durello erfühlen zu können, wie man eine Arbeitspirouette reitet. „Nicht alle haben einen Durello“, so Markus Lämmle, „aber man sollte die Möglichkeiten, die man in einem Betrieb für die Nachwuchsreiter hat, auch nutzen.“

SILBERNES FÜR MARKUS LÄMMLE

In dem würdigen Rahmen des Bundesberufsreitertages und passend zum Thema wurde Markus Lämmle für sein jahrzehntelanges Engagement für den Berufsstand und als Ausbilder für angehende Pferdewirtinnen und Pferdewirte, Trainerinnen und Trainer sowie Nachwuchsreiterinnen und -reiter mit dem BBR-Verdienstabzeichen in Silber geehrt.

Foto: Sehrwieviel
Das Tagungsprogramm abgerundet hat schließlich ein sogenanntes World Café. Dabei wurde in kleineren Gruppen an sieben Ständen zu unterschiedlichen Themen diskutiert und die Ergebnisse zusammengetragen, so dass alle möglichst viel Input und neue Ideen mitnehmen konnten. Es gab Stände zu Lernkonzepten für Kinder, zum Heranführen an den Turniersport, zu den aktuellen Herausforderungen einer Fachschule Reiten, zu Ausrüstung für Schulbetriebe/Schulpferde, Versicherungen und Rechtsfragen, das Pferd als Therapie- und Förderpartner sowie zu Natur- Umwelt- und Tierschutzrecht im Pferdebetrieb. Es wurde angeregt und engagiert diskutiert und es kamen viele Ideen zusammen.

MARBACH IN VOLLEN ZÜGEN

Der zweite Tag war mit einer Gestütsführung ganz den Gastgebern gewidmet. Das Interesse des Vortags war ungebrochen. Das traditionsreiche Haupt- und Landgestüt Marbach liegt inmitten der schönen Schwäbischen Alb. Zum Gestüt gehören vier Vorwerke sowie die drei historischen Gestütshöfe Marbach, Offenhausen und St.Johann mit denkmalgeschütztem Fachwerk. Es ist mit 40 Auszubildenden der größte Ausbilder Baden-Württembergs für den Beruf Pferdewirt und Sitz der Landesreit- und Landesfahrschule und beherbergt Weil-Marbacher Vollblutaraber, Warmblüter, Deutsche Sportpferde, Altwürttemberger und Schwarzwälder. Dr. Astrid von Velsen-Zerweck und ihr Team demonstrierten im Rahmen der Gestütsführung einmal mehr die Vielfalt der Marbacher Pferde und wie sehr der vielseitige Einsatz der Pferde gelebt wird.

IMPRESSIONEN VON SAMSTAG UND SONNTAG

Zeichnungen: Ute Fingerle