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Die frühere Grand Prix-Richterin Anke Frömming war Teil der Jury, die auf den Bundeschampionaten den Tierschutzpreis vergeben hat. Sie berichtet von dem Wochenende.

Die Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR) hat in diesem Jahr gemeinsam mit Xenophon die Vergabe des Tierschutzpreises für pferdefreundlichen Umgang und die besonders pferdegerechte Prüfungsvorbereitung übernommen. Angelika Frömming ist ehemalige internationale Richterin. Außerdem Referentin für Reitgeschichte an der Deutsche Reitschule. Sie gehörte zu dem Jury-Team, das die fünf- und siebenjährigen Dressurpferde begutachtet hat. Ihre Gedanken und Erfahrungen des Wochenendes:

„Nicht nur weltweit sind zur Zeit sehr unruhige Zeiten. Eine allgemeine Verunsicherung scheint zunehmend um sich zu greifen. Das geschieht nicht nur auf der politischen Ebene, sondern auch in alltäglichen Lebensbereichen. Der Ton wird rauer. Social Media öffnet jedem ein Forum, seine Meinung kundzutun. Mit Hilfe von KI sind Realitäten und Fake News kaum noch zu unterscheiden.

Von einer allgemeinen Verunsicherung ist auch die Reiterwelt betroffen. Das reicht von der Kritik am Turniersport über den Vorwurf gewisser Unzulänglichkeiten beim Freizeitreiten. Bis zur Forderung, auf das Reiten ganz zu verzichten. Dabei geht es der Mehrzahl der Reitsportbeteiligten im Wesentlichen um den Tierschutz (kein Zufügen von Leid, Schmerz oder Schaden). Wie auch um das Tierwohl (emotionales Wohlbefinden, Berücksichtigung der individuellen Befindlichkeiten).

Tierschutz in der Geschichte

Eigentlich geht es schon seit Jahrhunderten irgendwie immer um das Wohl der Pferde. So schrieb Xenophon im 3. Jh. v. Chr. ,Verliere beim Umgang mit Pferden nie dies Beherrschung, die ist die wichtigste Regel für jedem Reiter‘. Im 17. Jh. äußerten sich Pluvinel mit ,Das Pferd muss selber Freude an der Reiterei haben, sonst gelingt dem Reiter nichts mit Anmut‘. Und Newcastle mit: ,Es ist nur die Unwissenheit des Reiters und nicht die Natur, die Schindmären hervorbringt.‘ So lassen sich unzählige Zitate finden in denen es immer sowohl um den Tierschutz als auch indirekt um das Tierwohl geht. Allerdings fielen damals aus noch wissenschaftlicher Unkenntnis Wort und Tat häufig auseinander, was heute eigentlich nicht mehr unbedingt notwendig wäre.

Heute wird im Rahmen einer geänderten Wertvorstellung der Tierschutz bei allen die mit Pferden zu tun haben als selbstverständlich vorausgesetzt. Und dass das Tierwohl zusätzlich bei jedem Pferd individuell zu beachten ist.

Tierschutzpreis auf den Bundeschampionaten

Um das Tierwohl noch mehr in den Vordergrund zu stellen, gibt es seit einigen Jahren beim Bundeschampionat den Tierschutzpreis. Bei dieser Ehrung werden die Reiter und Reiterinnen für den besonders pferdefreundlichen Umgang mit dem Pferd geehrt. Und für die pferdegerechte sportliche Nutzung des Pferdes.

Die Beobachtung und Bewertung für den Tierschutzpreis beginnt bereits durch die Stewards und die Richterinnen und Richter. Sie notieren in den jeweiligen Qualifikationsprüfungen auf dem Vorbereitungsplatz positive und negative Eindrücke. Für die Finalprüfungen wurden in diesem Jahr von Xenophon e.V. und der BBR reitsportlich erfahrene Persönlichkeiten als finale Entscheidungsteams benannt. Diese konnten sich in Zweifelsfragen hinsichtlich einzelner Starterpaare bei den Stewards und/oder den Richterinnen und Richtern bezüglich des Erscheinungsbildes bei den Qualifikationsprüfungen erkundigen.

Entscheidungsgrundlage für die Bewertung des gesamten Auftretens auf dem Vorbereitungsplatz ist der ,Kriterienkatalog für den Vorbereitungsplatz‘ mit dem Untertitel ,Beobachtung von Pferd und Reiter‘. Dabei gilt es für den Betrachter Folgendes zu beobachten: Bewegungsablauf/Gangbild, Rücken, Maul, Kopf-Hals-Haltung, Auge/Gesicht, Ohren, Schweif, Nüstern/Atmung, Schweißbildung, Ausrüstung, Art des Reitens. Und letztendlich auch die Frage, ob Teilnehmerinnen, Teilnehmer und Pferd der Aufgabe gewachsen sind.

Für die Verantwortlichen auf dem Vorbereitungsplatz gibt es nach diesem sehr sinnvollen Tableau drei Entscheidungsmöglichkeiten: ,Pferdegerechtes Verhalten – kein Handlungsbedarf‘, ,Auffälligkeiten – Beobachten/Verlaufskontrolle‘ und drittens ,Nicht pferdegerecht – sofortiger Handlungsbedarf‘.

Hannes Müller, Vorsitzender der BBR, und ich hatten das Vergnügen, beim Bundeschampionat beim Finale der fünf- und siebenjährigen Pferde das Geschehen auf dem Vorbereitungsplatz zu beobachten und zu bewerten.

Munterer Hengst auf dem Abreiteplatz

Schon gleich mit dem ersten fünfjährigen Pferd gab es die Gelegenheit, völlig unterschiedlicher Meinungen zu sein: Ein sehr lebensfroher, munterer Hengst mit Reiterin wurde von seinem Trainer am Führstrick geführt. Vertrauensvoll und dabei höchst interessiert schritt der Hengst neben seinem Führer her. Nach etwa zwei Runden wurde der Führstrick unmerklich entfernt und die Reiterin begann nach dem Motto ,Jetzt nur nicht von der Fahne gehen lassen‘ anzutraben. Die Bewegungen des Hengstes waren zunächst exaltiert und der Hals reichlich enge.

Und da hatten wir schon den Salat: Das was wir da sahen war überhaupt nicht so wie man sich schulbuchmäßig vorstellt! Dafür war aber gerade in diesem Moment die Art des vorsichtigen Herantastens durchaus sinnvoll. Es hätte sonst wohlmöglich ein wildes Durcheinander auf dem Vorbereitungsplatz geben können.

Und hier liegt der Knackpunkt bei der Beobachtung des Abreitens auf dem Vorbereitungsplatz. Die einen machen ein Foto, stellen es ins Internet und stempeln so Pferd und Reiter negativ ab. Und die anderen versetzen sich erstmal in die Lage des Reiters oder der Reiterin und warten ab, ob die augenblickliche Vorgehensweise nicht doch sinnvoll sein kann. Das oben beschriebene Pferd baute im Verlauf der folgenden Minuten seinen Stress und seine Buckelbereitschaft ab. Es konnte sich im weiteren Verlauf der Vorbereitungsarbeit elastisch vorwärts-abwärts dehnen und wurde Zweiter in seiner Prüfung.

Jedes Pferd anders abreiten

Für wahr, jedes Pferd ist anders und reagiert anders. Die Kunst des Reitens auf dem Vorbereitungsplatz ist es, die Zeit der Vorbereitung so einzuteilen, dass es dem Reiter oder der Reiterin gelingt, das Pferd mental und athletisch so vorzubereiten, dass anschließend die Chance besteht, das Pferd optimal zu präsentieren.

Für den Betrachter einer Reitvorführung ist es immer von besonderem Vorteil, wenn er sich in das Geschehen hineindenken kann. So haben z.B. unsere internationalen offiziellen Richtergrößen Horst Niemack, Dr. Jochen Bösche und Heinz Schütte immer gesagt, dass der Richter bei jedem Ritt gedanklich mitreiten können muss! Und das gilt auch bei der Aufsicht auf dem Vorbereitungsplatz. Man muss sich in die augenblickliche Reitsituation hineindenken.

So haben wir uns bei manchen Pferden gefragt, weshalb sie über eine längere Zeit mit der Stirn-Nasenlinie deutlich hinter der Senkrechten geritten wurden. Den gymnastizierenden Effekt konnten wir nicht erkennen. Und wir haben uns gefragt, ob den Reitern und Reiterinnen dieser Zustand überhaupt bewusst ist und ob sie vielleicht von niemandem darauf aufmerksam gemacht werden. Ein gewisses Maß an Betriebsblindheit kommt eben auch bei der Ausbildung von Pferden vor.

Auf dem richtigen Weg

Insgesamt gab es bei der überwiegenden Mehrzahl der Starterpaare ein bilderbuchmäßiges Vorbereiten der Pferde auf die anstehenden Prüfungen. Bei den von Beginn an mental ausgeglichenen Pferden war das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen sehr schnell möglich. Das Lösen der Pferde im leichten Sitz feinste Paul Stecken-Schule. Das Bemühen um eine Verbesserung der Geraderichtung, insbesondere durch schultervorartiges Galoppieren, war klar erkennbar. Ein Arbeiten an sogenannten spektakulären Bewegungsabläufen war nirgends zu erkennen. Es wurden auch keine piaffe- oder passageartigen Tritte angetestet.

Das Benehmen der Pferde auf dem Vorbereitungsplatz ist zum Teil sicherlich auch eine Frage der Früherziehung. Wenn sie Turnierpferde werden sollen, dann sollten sie auch frühzeitig durch häufigen Wechsel des Umfelds, das trainingsmäßige Zusammensein mit anderen Pferden und das abgeschiedene Reiten in der Präsentation turniersouverän gemacht werden. Außerdem ist gerade bei jungen Pferden die Ausbildung auf der Basis der Ausbildungsskala nahezu alternativlos. Selbstverständlich ist sie keine Schablone, wie es häufig falsch behauptet wird, sondern ein Anhaltspunkt für individuelle Ausbildungsansätze, so wie wir es auf dem Vorbereitungsplatz erleben konnten. Besonders interessant war dabei, dass zwei Reiterinnen ihre beiden jeweils teilnehmenden Pferde je nach Körperbau und mentaler Verfassung zielführend unterschiedlich in der Lösungsphase auf die Prüfung vorbereiteten.

Von mangelhaftem, nicht artgerechtem Umgang, mangelndem Tierwohl oder gar Tierquälerei konnte auf dem Vorbereitungsplatz keinen Moment gesprochen werden. Natürlich kann man überall noch etwas verbessern, wie immer im Leben, aber von der Tendenz her sind wir trotz immer wieder auftretender Zerrbilder auf einem guten Weg.“